Die Textilkette ist eine der am stärksten verschmutzenden Wertschöpfungsketten. Aufgrund des schnellen Wandels in der Mode und des geringen Preises wird Kleidung nur kurz getragen oder noch nicht einmal verkauft. Fast die gesamte Kleidung verschwindet letztendlich in Müllverbrennungsanlagen oder auf Mülldeponien. Allein die Verbraucher in den USA und der EU werfen jährlich 15 Millionen Tonnen Textilien weg, obwohl 95% davon erneut für die Fertigung von Kleidung verwendet werden könnten. Das, was gesammelt wird, wird häufig abgewertet (Downcycling) und etwa als Füll- und Dämmmaterial in der Automobilbranche verwendet. Dabei werden für jedes Kilo Baumwolle – die am häufigsten genutzte Textilsorte – mindestens 7000 Liter Wasser benötigt (hauptsächlich für die Bewässerung der Baumwollpflanze, und das in Ländern, in denen häufig Wassermangel herrscht).
Die in Kleidung verarbeiteten Materialien erneut für Kleidung oder Wohntextilien zu verwenden, ist Ziel des Start-ups Reblend. Das junge Amsterdamer Unternehmen arbeitet an der Entwicklung eines Prozesses, der gut geeignete Garne und Stoffe hervorbringen soll. Ein Prozess, der entsprechende technische Herausforderungen mit sich bringe, erläutert Mitbegründerin Anita de Wit. Auf Laborniveau wird bereits mit chemischem Recycling experimentiert. Das kann zu einem Verfahren führen, bei dem zusammengesetzte, textile Materialien (Blends) wieder vollständig in ihre ursprünglichen Bestandteile getrennt werden, die im Prinzip unendlich oft verwendet werden könnten. „Solange es noch nicht so weit ist, fertigen wir aus den recycelten Textilien neue Fasern, ohne die Materialien zu trennen. Sowohl für das Zerfasern und das Spinnen als auch das Stricken und Weben setzten wir Maschinen ein, die für andere Zwecke entwickelt worden sind. Zerfasermaschinen wurden entwickelt, um grobes Füllmaterial zu produzieren und Spinnmaschinen für die Verarbeitung ‘jungfräulicher’ Materialien, die eine größere Faserlänge, gleichmäßiger und überwiegend fester sind als recyceltes Material.“ Ihrer Meinung nach wäre es doch eine Herausforderung für Maschinenbauer, Maschinen zu entwickeln, die wiederaufbereitete Fasern besser verarbeiten können. Dadurch würden recycelte Textilien attraktiver.
Reblend hat mit dem Forschungsinstitut für Textil und Bekleidung der Hochschule Niederrhein in Mönchengladbach zusammengearbeitet, um eine Spinnmaschine entsprechend umzurüsten. Das Problem bei der Produktion von Garn aus recyceltem Material liege darin, so Prof. Dr.-Ing. Thomas Weide (Textiltechnologie der Spinnerei), dass die Spinnmaschinen dann weniger effizient arbeiten. „Aufgrund der Kürze der Fasern reißen die Fäden schneller während des Spinnprozesses. Der Spinnprozess muss dann erneut gestartet werden. Bis vor kurzem konnten diese Maschinen das gleichzeitig nur bei vier bis sechs Spindeln von den hunderten, die sie haben, was zu Wartezeiten und geringen Maschinennutzeffekten führte. Es gibt jetzt jedoch eine neue Generation von Spinnmaschinen auf dem Markt – vom Hersteller Schlafhorst, – bei denen jede Spindel einzeln angesteuert und angetrieben wird und bei der Spinnprozess nach Fadenbruch an jeder Spinnposition selbstständig gestartet werden kann.“ Das macht die Nutzung von recycelten Textilien aber noch nicht wesentlich praktikabler. „Weil das Material schneller reißt, ist die Produktqualität verringert und die Spinn- und Webgeschwindigkeit deutlich niedriger, was auf Kosten der Effizienz geht.“
Seiner Meinung nach sind noch viele weitere technische Innovationen denkbar, die die Maschineneffizienz bei der Verarbeitung von recycelten Textilien erhöhen. „Die Nutzung von recycelten Textilien ist vor allem dann interessant, wenn die Textilien bestimmte, besondere Eigenschaften bekommen sollen. Recyceltes Garn ist nicht gleichmäßig dick. Daraus kann man dann Stoffe weben, die ihren Charme gerade der unregelmäßigen Struktur verdanken. Im Großen und Ganzen liegt in solchen Eigenschaften der Markt für das Textilrecycling, ferner in der Verbindung mit neuem Material. Ca. 60 Prozent der Garnherstellkosten entfallen auf das Rohmaterial. Dann kann es bereits als substanzieller Vorteil gelten, wenn 10 Prozent des Grundstoffs recycelt sind.“
Dass der Maschinenbau noch nicht eingestiegen ist, überrascht De Wit nicht. Dafür ist der Markt für recycelte Textilien noch zu klein. Um die Nachfrage in Gang zu bringen, müsste sich ihrer Meinung nach etwas an der Mentalität der großen Marken wie H&M ändern. „Die Marken meinen, dass die Qualität recycelter Textilien noch unbefriedigend sei. Dabei zeigen Unternehmen wie wir, dass die Qualität durchaus für den modebewussten Verbraucher ausreicht, der Kleidung nur kurz trägt. Außerdem halten die Marken das Material für zu teuer. Logisch, angesichts der geringen Menge, die produziert wird.“ Eine typische Huhn-Ei-Geschichte, bei der von der Politik der Bann gebrochen werden könnte: „Indem Länder beispielsweise als Launching Customer auftreten.“
Link magazin 2017, Deutsche ausgabe
Übersicht der niederländischen Pavillons auf der Hannover Messe 2017:
- Holland High Tech House: Halle 2, Research & Technology, High Tech Innovation.
- Holland Industrial Supply Pavillon: Halle 4; Industrial Supply,