Um konkurrenzfähig zu bleiben, sind Generalisten statt Spezialisten erforderlich

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Made in Germany“ ist nicht von ungefähr ein Markenzeichen, das weltweit mit Qualität und Zuverlässigkeit assoziiert wird. Zwei Aspekte, die tief in deutschen Technikunternehmen verwurzelt sind, und wodurch sie zu (häufig Hidden) Global Champions in ihrem Markt geworden sind. Darauf können sie sehr stolz sein!

Der Erfolg beruht zum größten Teil auf Spezialisten, die sich in ihrem (häufig sehr begrenzten) Fachgebiet bestens auskennen und ihre Produkte jedes Jahr ein bisschen besser machen: inkrementell verbessern, vor allem aber nichts Ausgefallenes machen, keine großen Risiken eingehen – der Ruf steht ja auf dem Spiel. Diese Spezialisten sind ebenfalls darauf konditioniert, sich mit ihren eigenen Angelegenheiten zu beschäftigen und werden selten gebeten, ihre Meinung zu Themen anderer Fachgebiete oder Abteilungen zu äußern – schließlich sind es ja Spezialisten. Außerdem denken sie ausgehend von der bestehenden Lösung: Wie können sie die noch ein bisschen besser machen?

Start-ups arbeiten ganz anders. Sie haben keine Geschichte, haben deshalb auch (noch) keinen Ruf zu verlieren und denken also nicht in inkrementellen Verbesserungen. Ihnen geht es darum, für ein Problem eine disruptive Lösung zu liefern, die zehnmal so gut ist, um mit etablierten, viel größeren Unternehmen zu konkurrieren. Das bedeutet substanzielle Risiken eingehen und neue Ideen frühzeitig mit Kunden ausprobieren. Hinfallen und wieder aufstehen, genau wie das Kind, das Rad fahren lernt. Tut ein bisschen weh, es lernt aber schnell. Derjenige, der am schnellsten lernt, gewinnt den Wettbewerb.

Gute Start-ups denken nicht von vorhandenen Lösungen ausgehend, denn die haben sie noch nicht. Sie beginnen mit dem Begreifen des Problems des Kunden. Dann suchen sie nach passenden Lösungen und probieren dabei alles aus. Sie arbeiten dabei häufig nicht von Spezialgebieten ausgehend, sondern suchen breitgefächert nach Technologien und Geschäftsmodellen, die eventuell brauchbar sind. Dafür benötigen sie eher Generalisten als Spezialisten.

Für die Digitalisierung benötigt jedes innovative Unternehmen sowieso Generalisten. Denn die Digitalisierung führt dazu, dass alles mit allem verbunden ist (buchstäblich und im übertragenen Sinne). Man kann nicht Abteilung für Abteilung und Spezialgebiet für Spezialgebiet digitalisieren. Digitalisierung macht das erneute und integrale Organisieren aller Prozesse erforderlich. Es erfordert die Aufhebung der separaten Bereiche und das Initiieren der Zusammenarbeit zwischen den Disziplinen. Digitalisierung erfordert eine holistische statt einer spezialisierten Vorgehensweise.

Unternehmen, die innovativ und erfolgreich bleiben wollen, müssen von der Arbeitsweise der Start-ups lernen. Manchmal gelingt es, die Start-up-Kultur mit den wertvollen Merkmalen jahrzehntelanger Erfahrung und mit Spezialisten zu kombinieren. Meistens läuft das aber nicht so gut, wie man es sich vorstellt. Dann ist es besser, die Energie für die Zusammenarbeit mit externen Start-ups zu nutzen. Es geht darum, von ihrem Fallen und Aufstehen zu lernen und ihnen zu helfen, schneller wieder aufzustehen und erfolgreich zu werden. Ebenso gilt es, die eigenen Mitarbeiter durch diese Start-ups inspirieren zu lassen, damit sie selbst risikofreudiger werden, über ihre (Fach-)Grenzen blicken und sich von ihrem Not-Invented-Here-Syndrom verabschieden.

Willem Bulthuis

Business Angel und Board Advisor, WBX Consulting München

Link magazin 2017, Deutsche ausgabe

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