Spitzencluster it’s OWL und Brainport Industries bauen starke Hightech-Ökosystem (Netzwerke) auf

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THEMA INTEGRATED INDUSTRY – CONNECT & COLLABORATE 

Die Niederlande sind Vorreiter bei der Co-Creation: Das Hightech-Ökosystem Brainport Industries in Eindhoven ist ein gutes Beispiel dafür. Aber der frische Wind der Kooperation bei der Implementierung von Industrie 4.0 weht überall. In Deutschland macht Spitzencluster it’s OWL (Intelligente Technische Systeme OstWestfalenLippe) Furore. Die Netzwerke in den beiden Nachbarländern haben ihre jeweils eigene Art und Weise. Beide verbuchen bemerkenswerte Resultate.

Günter Korder, Geschäftsführer des Bereichs Operations der it’s OWL Clustermanagement GmbH. „Es ist sehr erfreulich, dass sich uns so viele anschließen wollen.“ Foto: OstWestfalenLippe GmbH

Der frische Wind der Kooperation weht überall

Auf der Hannover Messe hat das Technologienetzwerk it’s OWL jedes Jahr einen imposanten Gemeinschaftsstand (Halle 16 A04). Unternehmen für die Teilnahme zu gewinnen, wird immer einfacher. „Sie melden sich mittlerweile selbst“, sagt Günter Korder, Geschäftsführer des Bereichs Operations der it’s OWL Clustermanagement GmbH. „Es ist sehr erfreulich, dass sich uns so viele anschließen wollen. Unternehmen und Forschungseinrichtungen wissen, dass unsere Bekanntheit und Strahlkraft groß sind. In den vergangenen Jahren wurde uns sehr viel Aufmerksamkeit von der Presse, von Politikern, von großen Unternehmen aus der Region und darüber hinaus zuteil. Letztes Jahr kamen schon am ersten Tag der Hannover Messe neun chinesische Delegationen vorbei, um sich anzuhören, was wir machen.“

„Dieses neue Konzept mit der ganzen Zulieferkette unter einem Dach muss auch verstanden werden“

Spitzencluster it’s OWL vereint mehr als 200 Unternehmen, Hochschulen, Forschungsinstitute und weitere Partner. Gemeinsam wollen sie den Innovationssprung hin zu intelligenten technischen Systemen, zur Industrie 4.0 gestalten. Im Netzwerk werden innovative Produkte und Dienstleistungen für die Märkte von morgen erarbeitet. Weltmarktführer und Hidden Champions aus dem Maschinenbau, der Elektro- und Elektronikindustrie und dem Bereich der Automobilzulieferer arbeiten dabei eng mit Spitzenforschungseinrichtungen zusammen: Market Pull und Science Push verbinden sich. Von Automatisierungs- und Antriebslösungen über Maschinen, Automaten, Fahrzeuge und Haushaltsgeräte bis zu vernetzten Produktionsanlagen und Smart Grids.

Wettbewerb

Die Region hat sich an dem 2007 gestarteten Spitzencluster-Wettbewerb des Bundesministeriums für Bildung und Forschung beteiligt. Zur Überraschung aller Mitstreiter wurde it’s OWL 2012 als einer von 15 Spitzenclustern im Rahmen der Hightech-Strategie der deutschen Bundesregierung ausgewählt. Die ziemlich kleine und eher unbekannte Region erhielt für fünf Jahre Fördergelder in Höhe von 40 Millionen Euro für die Kooperation von Unternehmen und Forschungseinrichtungen bei innovativen Projekten im Bereich der maschinellen Intelligenz. Familiengeführte Unternehmen und ein breiter Mittelstand bilden den Kern von it’s OWL. Im Maschinenbau, der Elektro- und Elektronikindustrie sowie der Automobilzuliefererindustrie bieten 400 Unternehmen Arbeitsplätze für über 80.000 Beschäftigte. Bekannte Firmen sind beispielsweise Benteler, Claas, Hella, Miele und im Bereich der Industrieelektronik Beckhoff, Harting, Lenze, Phoenix Contact, Wago und Weidmüller.

„Die Region ist etwas atypisch“, sagt Prof. Dr. Ir. Fred van Houten von der Universität Twente in Enschede, Mitglied des wissenschaftlichen Beirates von it’s OWL. „Familienunternehmen haben doch eine andere Ausrichtung als Unternehmen, bei denen Shareholder Value und Quartalszahlen die entscheidende Rolle spielen. Schließlich möchten sie ihre Unternehmen Kindern und Enkelkindern in solidem Zustand hinterlassen. Die Mentalität zur Zusammenarbeit ist prinzipiell vorhanden.“ OstWestfalenLippe (OWL) gehört nach einer Untersuchung der Stockholm School of Economics zu den stärksten elf Produktionsstandorten in Europa – gekennzeichnet durch eine hohe Beschäftigungskonzentration, Innovationsfähigkeit und Exportquote. Günter Korder: „Hier brummt es regelrecht. Nicht dass Zusammenarbeit immer einfach ist, aber was hier innerhalb von it’s OWL geschieht, ist sehr essenziell. Es stärkt uns. Unternehmen wissen auch, dass sie kooperieren müssen, die größten Konkurrenten sitzen zwar nicht direkt um die Ecke, aber beispielsweise in China und Korea.“ Alles ist darauf ausgerichtet, dass die Region OstWestfalenLippe eine Spitzenposition im globalen Wettbewerb für Intelligente Technische Systeme erreicht. Bundesweit gilt it’s OWL als eine der größten Initiativen zu Industrie 4.0 und leistet einen wichtigen Beitrag, die Produktion am Standort Deutschland zu sichern.

Technisches Shoppingcenter

Edward Voncken, CEO bei KMWE Group: „Die gesamte Kette vom Material bis zum fertigen Produkt wird bald hier vertreten sein.“Foto: Bram Saeys

Vor etwa sieben Jahren wurde in Eindhoven die Coöperatie Brainport Industries gegründet. Es handelt sich um ein Zuliefernetzwerk von inzwischen mehr als hundert niederländischen Hightechunternehmen. Das Netzwerk möchte die primären, sekundären und tertiären Hightechunternehmen verbinden, die Professionalität der Kette weiter erhöhen und die Innovations- und Wettbewerbsstärke ausbauen. OEM, die im Bereich High-Mix-, Low-Volume– und High-Complexity-Maschinenbau tätig sind, fordern immer mehr von ihren Zulieferern. Außer der Herstellung von Komponenten und (Sub-)Modulen möchten sie, dass ihre strategischen Zulieferer auch die Entwicklung und das Engineering übernehmen. Diese müssen die komplette Verantwortung dafür übernehmen können.

Brainport Industries gehören Unternehmen aus den gesamten Niederlanden an, u.a. AAE The Art of Mechatronics, Equipment Service Provider Frencken, Added Value Supplier Contour, Systemlieferant NTS-Group, VDL GL Precision und Bosch Rexroth, The Drive & Control Company und KMWE Group. Vorsitzender ist Edward Voncken, CEO bei KMWE Group. KMWE ist Spezialist im High-Mix-Low-Volume-High-Complexity-Bereich für Zerspanung und mechatronische Montage sowie Entwicklung und Engineering für die Märkte Luftfahrt, Medical & Diagnostics, Semicon und Hightechausrüstung.

Inzwischen wird auch mit Hochdruck an der ganz konkreten Variante der ultimativen Kooperation in der Fertigungsindustrie gearbeitet: Brainport Industries Campus (BIC). „Ein großes, überdachtes technisches Shoppingcenter“, nennt es Edward Voncken. Der Campus (insgesamt 200 Hektar oder 400 Fußballfelder groß) liegt an der niederländischen Autobahn A2, nah am Eindhoven Airport. Initiator des Campus ist Brainport Industries in enger Zusammenarbeit mit dem Entwickler SDK, der Provinz Nordbrabant, der Stadt Eindhoven und der Brabantse Ontwikkelings Maatschappij. Es werden architektonisch interessante, innovative Gebäude mitten im Grünen entstehen. Den Kern bildet das gläserne Atrium mit Gastronomie, Technologie-Showrooms, flexiblen Produktionsräumen und Pavillons für Innovation, Ausbildung und Entwicklung. Hightechunternehmen aus der Zuliefer- und Fertigungsindustrie teilen sich Einrichtungen für die Produktion, Lagerung, Logistik, Forschung und Innovation in der „Fabrik der Zukunft“, die 24/7 laufen wird.

„Ein großes, überdachtes technisches Shoppingcenter“, nennt Edward Voncken Brainport Industries Campus. Foto: BIC

Unternehmen haben selbstverständlich auch ihre eigenen Gebäudekomplexe. KMWE (etwa 550 Mitarbeiter, 113 Millionen Euro Umsatz) verlegt seine niederländischen Standorte auf den Brainport Industries Campus. Edward Voncken ist ein unermüdlicher Verfechter des Campus: „Die Pläne wurden entwickelt, als es in der Industrie nicht so gut lief. Es ist fantastisch, dass der Bau jetzt im Gange ist“, sagt er. „Unser Vorbild ist der Hightech Campus auf dem früheren Philips-Gelände in Eindhoven mit seiner Ausrichtung auf Produktinnovation. So etwas wollen wir auch für die Fertigungsindustrie: offen, transparent, sauber, innovativ. Die technische Entwicklung hat eine solche Fahrt aufgenommen, dem müssen wir uns gemeinsam stellen, einmal mit Kollegen, dann wieder mit Konkurrenten, Kunden oder eigenen Zulieferern. Die gesamte Kette vom Material bis zum fertigen Produkt wird bald hier vertreten sein.“

Junge Leute auf den Campus

Inzwischen wird auch mit Hochdruck an der ganz konkreten Variante der ultimativen Kooperation in der Fertigungsindustrie gearbeitet: Brainport Industries Campus (BIC). Foto Brainport Industrie Campus

Es ist geplant, dass ab Mai der erste Neubau bezogen werden kann. KMWE verlegt sehr strukturiert alle Niederlassungen auf den Campus. „Das ist eine gigantische und langwierige Operation, mit den ganzen Produktionsmaschinen, die installiert und freigegeben werden müssen. Wir arbeiten jetzt in veralteten Gebäuden. Unseren Mitarbeitern möchten wir aber ein attraktives Arbeitsumfeld bieten. Das zieht auch junge Leute an.“ Etwa 1.600 Auszubildende der beruflichen Ausbildungseinrichtung Summa erhalten ab August 2018 Unterricht auf dem Campus: „Die nächste Mitarbeitergeneration der Hightech-Fertigungsindustrie wird in einem modernen Arbeits- und Lernumfeld ausgebildet. „Es ist spannend: Dieses neue Konzept mit der ganzen Zulieferkette unter einem Dach muss auch verstanden werden. Manche Unternehmen warten lieber ab, wollen erst sehen, ob es funktioniert. Andere Unternehmer wiederum glauben daran und lassen sich auf den Campus nieder.“ KMWE meldete sich als erstes Unternehmen an, dann kamen u.a. BT Brammer, Fujitsu Glovia, Anteryon, HTSC, Procurion und Yaskawa Benelux. AddFab wird dort ebenfalls produzieren: Das ist das erste niederländische 3-D-Druck-Unternehmen. Es wurde von acht Zulieferern gegründet, die zusammen 3-D-Metalldrucktechnologie entwickelt haben.

Edward Voncken – er studierte an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen – registriert großes Interesse aus dem Ausland. Beispielsweise möchten etwa japanische Roboter-Lieferanten hier ihre europäische Basis ansiedeln. Deutsche Unternehmen mit Geschäftsbeziehungen in die Niederlande, die keinen statischen Ausstellungsraum möchten, können großen Kunden ihre Maschinen und Software im laufenden Betrieb zeigen. Voncken: „KMWE liefert viel an deutsche OEM, die ebenfalls immer mehr auslagern. Hier finden sie ein komplettes Netzwerk unter einem Dach. Wir können die Lieferkette wesentlich intensiver einsetzen.“

Auf der Hannover Messe hat das Technologienetzwerk it’s OWL jedes Jahr einen imposanten Gemeinschaftsstand. Foto: OstWestfalenLippe GmbH

Motor

Sowohl beim Technologienetzwerk it’s OWL als auch bei Brainport Industries sind Gemeinschaftsprojekte, für die Implementierung von Industrie 4.0 (in die Niederlande: Smart Industry, der große Motor. Im Januar ging in Eindhoven das neue Brainport Industries Campus-Innovationsprogramm „Fabrik der Zukunft“ an den Start. Ziel ist es, gemeinsam intelligente Innovations- und Produktionseinrichtungen zu entwickeln, und sie für den ganzen Sektor zugänglich zu machen. Das Programm umfasst sieben Projekte mit folgenden Themen: Robotertechniken, digitaler Informationsaustausch, Multimaterial-3-D-Drucken, industrielles Metalldrucken, Hightech-Software, technische Fachausbildungen und zukunftsweisende Produktionslogistik. Am Programm sind etwa 75 Unternehmen und sechs Ausbildungs- und Forschungseinrichtungen beteiligt.

Auf dem Brainport Industries Campus sind auch zwei Fieldlabs des niederländischen Aktionsplans Smart Industry angesiedelt. Das Fieldlab Flexible Manufacturing wird Produktionsprozesse u.a. unter Einsatz von Robotern flexibilisieren. Im anderen Fieldlab, dem Smart Connected Supplier Network, wird daran gearbeitet, den Informationsaustausch in der Zulieferkette mithilfe der Standardisierung von Interfaces und Interoperabilität zwischen verschiedenen Systemen effizienter zu gestalten. Voncken: „Aber eigentlich ist das ganze Atrium bald ein großes Fieldlab, ein einziges großes Entwicklungs- und Innovationsumfeld, in dem unglaubliche Dinge geschehen werden.“

Industrieinitiative

Bei it’s OWL liefen in den vergangenen Jahren 46 Innovationsprojekte im Umfang von hundert Millionen Euro. Günter Korder: „Es sind von der Industrie initiierte Innovationsprojekte. Ein Unternehmen tritt mit einer Herausforderung an uns heran, und wir suchen nach den entsprechenden Fachleuten in den Forschungseinrichtungen sowie in der gesamten Produktionskette nach anderen Partnern. Vielleicht gab es vorher bilaterale Kontakte, jetzt aber arbeiten viele Akteure auf eine offene Art und Weise zusammen.“

Außerdem erhalten kleinere Unternehmen die Chance, kostenlos Know-how bei größeren Unternehmen und Forschungseinrichtungen zu sammeln, um so das gesamte Ökosystem zu stärken. „Wir wollten 120 Transferprojekte in fünf Jahren auf den Weg bringen und jeder lachte uns aus. Das würde nie klappen, hieß es. Nun, es wurden 171. Es sind überschaubare Projekte, die nicht länger als ein halbes Jahr laufen. Ohne große Formalitäten, so dass die Akteure sich wirklich auf den eigentlichen Inhalt konzentrieren konnten. Das führt zu praktisch umsetzbaren Lösungen, beispielsweise im Bereich der Digitalisierung oder Energieeffizienz.“

Günter Korder arbeitete viele Jahre in unterschiedlichen Managementfunktionen bei Siemens. Er weiß, dass Kundenorientierung und eine kurze Markteinführungszeit wesentlich für die beteiligten Unternehmen sind. „Wir wollen auf virulente Fragen reagieren. Kürzlich haben wir unsere Pläne für die kommenden fünf Jahre präsentiert. Die Betonung wird noch stärker auf neuen Technologien liegen; aber auch auf der Entwicklung neuer Geschäftsmodelle, so dass kleine Unternehmen das Know-how auch wirklich zu Geld machen können.“

Zusammenarbeit in Europa

Sowohl Brainport Industries als auch it’s OWL blicken über den Rand der eigenen Region hinaus. Brainport Development, Technische Universität Eindhoven und Brainport Industries unterzeichneten beispielsweise im vergangenen Jahr eine Absichtserklärung mit dem Mechatronik & Automation Cluster Bayern zur Intensivierung der Zusammenarbeit.

Spitzencluster it’s OWL und der finnische Partnercluster DIMECC setzen sich im Projekt „Europäische Allianz zur Sicherstellung der Spitzenposition für Intelligente Technische Systeme“ mit der Frage auseinander: „Wie können Technologie-Netzwerke gezielter und stärker kooperieren, um globale Spitzenpositionen zu erlangen?“ Es wird an einer Kooperation gearbeitet, die länderübergreifende Forschungsprojekte zwischen Industrieunternehmen und Hochschulen, Technologietransfer aus der Forschung in den Mittelstand sowie ein Austauschprogramm für Akademiker umfasst.

 

 

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